Zurückhaltung am Arbeitsplatz bei von Depression und psychischen Erkrankungen betroffenen Beschäftigten

Schweigen statt zu reden – dieser Philosophie folgen viele, wenn es um ihre psychische Gesundheit geht. Jeder vierte Arbeitnehmer hat nicht das Gefühl, am Arbeitsplatz über psychische Belastung reden zu können. Auch von der Volkskrankheit Depression betroffene Arbeitnehmer gehen im Job lieber zurückhaltend mit ihrer Erkrankung um, wie aktuelle Umfrageergebnisse belegen. Dabei können Unterstützungsangebote am Arbeitsplatz viel bewirken.  

Jeder Vierte hat nicht das Gefühl, über psychische Belastung reden zu können

Eine repräsentative Studie, die das Marktforschungsunternehmen YouGov im Auftrag von LinkedIn unter deutschen Arbeitnehmern durchgeführt hat, belegt das große Schweigen, das beim Thema psychische Gesundheit in der Arbeitswelt herrscht. Befragt wurden dazu 2.018 deutsche Arbeitnehmer, die einer Bürotätigkeit nachgehen, davon etwa die Hälfte mit Führungsverantwortung

Dabei zeigte sich, dass mehr als ein Drittel der befragten Beschäftigten selbst schon psychische Erkrankungen oder einen Burnout erlitten hat. Dennoch trauen sich 39 Prozent der Betroffenen nicht, am Arbeitsplatz offen über das Thema zu reden:

Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt: Das große Schweigen (Abbildung © LinkedIn)

© LinkedIn

Digitalisierung und Remote Working als Risikofaktoren

Die Angst vor beruflichen Nachteilen ist groß: So denken 43 Prozent der Betroffenen, dass es ihnen schaden würde, am Arbeitsplatz offen über psychische Belastungen zu sprechen. Fast die Hälfte der Befragten hat bereits gelogen, wenn es um die eigene psychische Gesundheit ging. Burnouts und andere psychische Belastungen sind also weiterhin ein Tabuthema und werden als Karrierehemmnis angesehen. Hinzu kommt, dass mehr als jeder Vierte nicht das Gefühl hat, über psychische Belastung reden zu können – weder mit Führungskräften noch mit Kollegen. Zudem fehlt die Möglichkeit zum Austausch mit unabhängigen Beteiligten: Mehr als die Hälfte der Angestellten gibt an, dass ihr Unternehmen keine externen Ratgeber für psychische Gesundheit zur Verfügung stellt.

Die Psychologin Nora Blum, die unterstützend bei der Erstellung des Fragebogens mitwirkte, rät Arbeitgebern, auch im Blick zu behalten, dass durch Digitalisierung und Remote Working die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen – ein Risikofaktor für psychische Belastungen.

Diagnose Depression bei jedem fünften Beschäftigten

Auch die Volkskrankheit Depression betrifft die meisten Unternehmen in Deutschland: 20 Prozent der Berufstätigen gaben im Rahmen einer Erhebung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe an, schon einmal die Diagnose Depression erhalten zu haben. Dennoch spricht auch darüber die Mehrheit der Erkrankten am Arbeitsplatz nicht. Das legen die Ergebnisse des Ende 2021 veröffentlichten 5. Deutschland-Barometers Depression nahe.

Nur 36 Prozent der Erkrankten sprechen im Arbeitsumfeld über ihre Depression. Noch geringer fällt die Nutzung möglicher Anlaufstellen im Unternehmen aus (u.a. Betriebsarzt, Betriebliche Sozialberatung). Wurde das betriebliche Angebot angenommen, empfand die Mehrheit eine solche Unterstützung allerdings als hilfreich:

Anlaufstellen bei Depression im Unternehmen (Abbildung © Stiftung Deutsche Depressionshilfe)

© Stiftung Deutsche Depressionshilfe

Schulungen von Personalverantwortlichen und Führungskräften und Informationen für alle Mitarbeiter tragen nach Auskunft der Stiftung Deutsche Depressionshilfe dazu bei, dass Betroffene rascher den Weg in eine professionelle Behandlung finden. Ein neuer Ansatz sind zudem Peer-Beratungen in Unternehmen. Hier bieten Mitarbeiter mit Depressionserfahrung niederschwellige Beratungen für Kollegen an und das vertraulich z.B. am Telefon oder persönlich außerhalb des Betriebes.

Weiterführende Informationen zu diesen Konzepten für Firmen und Organisationen findet man unter der Adresse deutsche-depressionshilfe.de

Quellen: LinkedIn; Stiftung Deutsche Depressionshilfe

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