Der Flame Dries Buytaert studierte noch Informatik, als er vor vielen Jahren in seiner Freizeit eine Soware entwickelte, die zur Basis für Millionen von Internet seiten wurde: Drupal war das erste Programmiergerüst für die Verwaltung von Webinhalten, das gratis zur Verfügung stand. Buytaert wurde durch seine Erfindung zum Star, und von der amerikanischen Präsidialverwaltung (www.whitehouse.gov) über die Hilfsorganisation Oxfam bis zur Zeitschrift »Economist« stiegen große Namen von eingekauften Content-Management-Systemen auf die Open-Source-Plattform um. Vor einigen Jahren sattelte auch Hubert Burda Media auf Drupal um. Die Internetauftritte von »Playboy«, »InStyle« und »Bunte« basieren bereits auf der Gratissoftware. Jetzt werben die Münchner bei an deren Medienhäusern darum, sich an dem von Burda entwickelten und auf Drupal basieren den Content-Management-System Thunder zu beteiligen. Partner würden somit teure Lizenz gebühren sparen und, so Burda, von einem System protieren, das von seinen Mitgliedern kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Drupal 8 überzeugt

Besonders die jüngste Version Drupal 8 hat die Informatiker und Redakteure von Burda überzeugt. Sie wandelt Webartikel automatisch in ein Smartphone-taugliches Format um. »Viele Leser kommen übers Smartphone, etwa via Facebook, auf unsere Seiten und bleiben länger auf den Artikeln, wenn diese sich gut lesen lassen«, berichtet Ingo Rübe, Chief Technical Officer (CTO) der Burda Magazine Holding. Auf der Basis von Drupal 8 konnte Burda für »Instyle.de« ein Infinity Theme einbauen: »Wenn Sie in einem Artikel nach unten scrollen, wird automatisch ein anderer Artikel nachgeladen. Früher kehrten Leser, die von Facebook kamen, am Ende des Artikels in das Social-MediaNetzwerk zurück, heute bleiben sie viel länger bei uns.« 30 Prozent mehr Page Impressions verzeichnet Rübe etwa bei »InStyle.de«. Außerdem sei Drupal 8 »mandantenfähig«, das heißt, Elemente von »InStyle.de« können für »Bunte.de« und andere Seiten übernommen werden. Neu ist auch eine Psychotest-Funktion, laut Rübe eine »wahre Click-Maschine«. »Die Redaktionen lieben diese Funktion, die Leserinnen lieben sie noch mehr. 80 Prozent sprechen auf
dieses Tool an. Und bis zu 100 Prozent der Leute, die einen Test anfangen, schließen ihn ab«, schwärmt Rübe. Die Technik stammt von der britischen Firma Riddle.com und lässt sich mühelos in Thunder und Drupal 8 einbauen.

Verlagswelt zeigt sich interessiert 

Schon jetzt sorgt Burda mit seiner Initiative in der Welt der Entwickler für Aufsehen. Facebook stellte für Thunder mit seiner Funktion »Instant Article« Unterstützung in Aussicht. Der Münchner Videodienstleister nexx.tv will ein Video-Content-Management-System einbringen. Weitere Partner aus Verlagswelt und Industrie sollen hinzukommen. Seit Hubert Burda Media auf der Website von Thunder als Initiator und Koordinator genannt ist, hat sogar schon die »South China Morning Post« Interesse angemeldet. Die Partner sollen die Aufgaben unter sich aufteilen. Bei Burda, wo fünf Mitarbeiter das Kernteam von Thunder bilden, laufen die Fäden zusammen. »In so einer Community muss einer die Koordination übernehmen, sonst gibt es Chaos«, sagt Rübe. Das Ergebnis wird der ganzen Community zur Verfügung stehen.

Keine Sicherheitsprobleme

Rübe weiß, dass Verlage ihr Wissen normalerweise nicht teilen. Bei Content-Management-Systemen, die keinen wirklichen Wettbewerbsvorteil darstellten, könnten aber alle nur voneinander profitieren, sagt Rübe. »Wo arbeiten schon Tausende Entwickler an der Verbesserung eines Programms? Das gibt es nur bei OpenSource-Projekten.« 98 Prozent der Betriebssysteme und über 90 Prozent der weltweiten Webserver basierten längst auf offenen Quellcodes. Es sei daher nur logisch, dass sich auch die Content-Management-Systeme in die Richtung bewegten. Sicherheitsprobleme in offenen Systemen sieht er nicht. Open-Source-Systeme seien sogar weniger anfällig für Angriffe, weil die große Experten-Community Sicherheitslücken sehr viel schneller aufdecke und bekämpfe als eine einzelne Firma. Während Burda weitere Websites und Mobile-Sites auf Drupal 8 bzw. Thunder umstellt, präsentiert Ingo Rübe das System internationalen Medienhäusern. »Wir sind guter Dinge«, sagt er – und freut sich auf weitere Interessenten. »Je besser und größer die Thunder-Community wird, desto mehr profitieren alle davon.«

thunder.org

von Holger Christmann, freier Journalist und Zeitschriftenentwickler
Dieser Artikel erschien zuerst in PRINT&more 1/2016.