10 Tipps, wie man als RessortleiterIn, TextchefIn oder ChefredakteurIn seinen Haufen halbwegs effizient, zielgerichtet und human durch den ganzen Changewahnsinn bringt.

Von Christian Thiele, Journalist, Coach und Führungskräftetrainer, Garmisch-Partenkirchen.

1. Bleiben Sie Beta!

Was vor fünf Jahren noch funktioniert hat, funktioniert auch heute und wird in fünf Jahren ebenfalls funktionieren: So konnte man jahrzehntelang Verlage und Redaktionen leiten, erfolgreich und profitabel. Die Zeiten sind vorbei. Im Versicherungs- und Bankenwesen, bei den Autobauern, bei den Bierbrauern, um nur ein paar Beispiele zu nennen, und eben auch in der Medienindustrie weiß heute keiner wirklich, was morgen funktionieren wird – geschweige denn übermorgen. Zahlt sich die Paywall-Strategie aus? Bring der große Newsroom wirklich mehr Vor- als Nachteile? Rentiert es sich, Personal und Geld in die sozialen Netzwerke zu investieren? Und wenn, dann eher Facebook, Twitter oder Snapchat? Niemand kann das wirklich wissen. „Führungskräfte müssen diese Unsicherheit aushalten“, sagt Sebastian Beck, Chef der Bayern-Redaktion der Süddeutschen Zeitung und ausgebildeter Führungskräftecoach. Sie machen es sich selbst, ihren Mitarbeitern und Ihren Kunden einfacher, wenn Sie da ehrlich mit sich sind. Wenn Sie Beta als Dauerzustand akzeptieren, wenn Sie ausstrahlen: Wir lassen diesen Versuchsballon mal fliegen, und dann schauen wir, ob und wie er fliegt – und wenn nicht, probieren wir etwas anderes.

2. Behandeln Sie jeden anders!

Die Huber braucht ganz viel Freiraum, dann kann sie ihre Kreativität ausspielen. Der Meier will minutiös erklärt bekommen, was er warum bis wann wie zu erledigen hat. Die Schmidt macht bei allem mit, so lange die Stimmung gut ist. Und der Müller muss vor allem den Sinn, das Wozu verstehen, damit er in die Gänge kommt. Wie führt man da gerecht? Auf jeden Fall nicht gleich. Gerechtigkeit in der Führung heißt nicht, dass Sie alle Mitarbeiter nach Schema F behandeln. Sie kennen Ihre Pappenheimer, Sie wissen, wer besonders viel Lob braucht und immer erst vom Wochenende und von den Kindern reden mag, bevor es zur Sache geht – und wer sich nur mit Zahlen, Daten, Fakten so richtig wohlfühlt. Sprechen Sie Ihre Mitarbeiter auf den Kanälen an, auf denen sie am besten empfangen können. Und vergessen Sie das Prinzip der Gleichbehandlung.

3. Erwarten Sie keine Jubelarien!

„Journalisten reagieren offen emotionaler als Ingenieure, sie sind von Berufs wegen kritisch und gehen häufig eher auf Sendung als auf Zuhören“, sagt Rüdiger Klepsch, Managementberater, Personalentwickler und regelmäßiger Spiegel-Online-Kolumnist in Hamburg. Erwarten Sie daher bei großen Veränderungen kein großes Juhu. Jeder Mensch braucht ein gewisses Maß an Sicherheit und schätzt häufig das Vertraute erstmal mehr als das Ungewisse.

Je größer die Veränderungen sind, die Sie durchsetzen wollen oder müssen, desto tiefer wird das Tal der Tränen – erstmal. Im neuen, veränderten, hoffentlich dann auch verbesserten Zustand können Viele erst dann ankommen, wenn sie sich ordentlich ausgekotzt haben.

4. Machen Sie Mut!

„Bin ich als Führungskraft in der Lage, mit Zuversicht für Veränderungen zu werben – oder verbreite ich Veränderungsdruck nur durch Angst und Schrecken?“ Aus Sicht von Sven Fissenewert, promovierter Biologe und Veränderungsspezialist bei der Medienberatung Process One müssen sich viele Führungskräfte in den Medien diese Frage stellen. Nur weil sie in der Medienbranche arbeiten, geben sich noch längst nicht alle Chefredakteure und Verlagsmanager auch wirklich Mühe in der Kommunikation ihrer Vorhaben. Achten Sie also darauf, dass das, was Sie wollen, auch wirklich ankommt bei allen, die es betrifft und betreffen könnte. Im Zweifel lieber fünf Mal zu viel erklärt als ein Mal zu wenig. Entwickeln Sie realistische und gleichzeitig optimistische Zukunftsbilder und fragen Sie sich, ob diese Change Stories für alle Bereiche gleich gut passen – oder ob sie für den Vertrieb, die Technik-Abteilung und die Redaktion nicht vielleicht unterschiedlich übersetzt werden müssen.

5. Schauen Sie weg!

„Disruptoren halten sich nicht an Branchengrenzen“, sagt Michaela Haas, Strategie- und Leadershipexpertin bei der osb international Consulting AG und selbst ehemalige Verlagsmanagerin. Gute Führungskräfte im Medienbereich sollten heute über den Tellerrand hinausblicken, sagt Haas, „es gibt noch viel zu viel Silodenken“. Schauen Sie sich also in anderen Branchen um, was sind da die Trends, welche neuen Geschäftsmodelle boomen dort, welche Führungs- und Managementthemen werden da gerade diskutiert? Und was davon können Sie in Ihr Haus übernehmen?

6. Gehen Sie auf Distanz!

Gerade in Konflikten: Fragen Sie sich, wie ein Unbeteiligter die Situation sehen würde? Und wie denken Sie in einem oder fünf Jahren über das Ganze? Wie wichtig ist das Thema wirklich für Sie, Ihre Mannschaft, Ihr Leben? Mit diesen Fragen bekommen Sie etwas Distanz zum täglichen Klein-klein. Und können unterscheiden zwischen den Dingen, für die es sich wirklich zu kämpfen lohnt – und jenen, die man einfach vorbeiziehen lässt, bis die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird.

7. Schulen Sie Ihre Chefs!

Vor allem in Redaktionen werden meistens noch die Ressortleiter oder Chefredakteure, die gut schreiben können. Das Rüstzeug für den Umgang mit Konflikten, für die effiziente Moderation von Meetings haben sie in der Regel nicht. „Da gibt es ein Riesen-Manko“, sagt SZ-Ressortleiter und Coach Beck, „es müsste viel mehr geschult und fortgebildet werden – sei es in fachlichen Themen wie Digitalkompetenzen, sei es bei den Softskills wie Kommunikation oder Konflikt“. Schicken Sie also Ihre Führungskräfte und Mitarbeiter auf Schulungen! Alle werden davon profitieren.

8. Spendieren Sie Lob!

Der ordentliche Anschiss vor versammelter Mannschaft, in der Früh-, Tages- oder Wochenkonferenz: eine gute, alte Tradition in vielen Redaktionen. Aber fehlende Anerkennung ist einer der größten Krankmacher im Büro, das belegen etliche Studien. Machen Sie es anders, loben Sie und zeichnen Sie herausragende Leistungen auch mal aus. Wichtig dabei: Loben Sie nicht einfach aus der Gieskanne, sondern drücken Sie Ihre Wertschätzung zeitnah, am konkreten Beispiel und auch den Mitarbeitern gegenüber aus, denen Sie persönlich vielleicht weniger grün sind. Die Anerkennung muss dabei ehrlich gemeint sein und darf nicht als Mittel für für einen ganz anderen Zweck herhalten. Taktisches oder nicht ernst gemeintes Lob durchschauen mehr Menschen, als Sie glauben.

9. Schlendern Sie!

Mails und Telefonate mit den Leuten im eigenen Haus sind nur vermeintlich effizient. Wer seinen Mitarbeitern nicht immer wieder in die Augen schaut, die Hand schüttelt, mit ihnen im persönlichen Kontakt ist, der verliert den Draht zu ihnen. Aus diesem Management by walking around haben Bill Hewlett und David Packard ihre Computerfirma aufgebaut, Apple-Ex-Chef Steve Jobs hat es  ausgeweitet und sich – so geht die Legende – besonders gerne mit den Kunden getroffen, die besonders heftige Beschwerdebriefe an ihn geschrieben hatten. Sie spüren den Puls Ihres Ladens besser, wenn Sie mit Ihren Mitarbeitern mehr sprechen und weniger mailen, das erhöht Studien zufolge deren Engagement und Produktivität. Planen Sie sich die Flurschlenderei regelmäßig in Ihren Kalender ein! Laufen Sie – über die lange Sicht zumindest – alle Büros ab und nicht nur die Ihrer Darlings! Und gehen Sie dabei nur in den Zuhör- und Wieläuftsso-Modus – für Kritikgespräche gibt es bessere und professionellere Orte und Zeiten.

10. Passen Sie auf sich auf!

Die stressbedingten Krankheiten und Ausfälle von Führungskräften steigen von Jahr zu Jahr. Wer dann auch noch in einem Medienbetrieb in leitender Stellung arbeitet – häufig produktionsbedingter Zeitdruck, hohes Veränderungstempo, unklare Job-Perspektiven –, sollte besonders gut auf sich achtgeben. Nur wer sich selbst fit hält und dazu auch mal die Pausentaste drückt, kann sein Ressort, seine Redaktion oder seinen Verlag fit für die Zukunft machen. Egal ob Yoga oder Joggen, ob Meditation oder Muskelentspannung: Tun Sie etwas für sich, und zwar regelmäßig!

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