Oft trifft man wen, der Bilder malt, viel seltener wen, der sie bezahlt (Wilhelm Busch).

Mehr als 30 Jahre besteht sie schon, die Künstlersozialversicherung und damit die Pflicht von Unternehmen auf künstlerische und publizistische Leistungen eine Abgabe zu entrichten. Vor diesem Hintergrund mag es zunächst erstaunen, dass diese Materie erst in jüngster Zeit vermehrt Gegenstand der Diskussion geworden ist.

Von Thomas Muschiol 

Die Antwort liegt darin, dass in der Vergangenheit viele Unternehmen von der Tragweite der Abgabenpflicht schlicht und einfach keine Kenntnis hatten. So erntet man auf Schulungs- oder Fortbildungsveranstaltungen immer wieder Erstaunen, wenn darauf aufmerksam gemacht wird, dass nicht nur die sogenannten typischen Verwerter, zu denen in erster Linie bekanntlich die Verlage zählen und den Unternehmen, die einer Zahlungspflicht als sogenannte „Eigenwerber“ unterliegen, auch jeder „Otto-Normalbetrieb“ im Einzelfall zur KSK-Abgabe verpflichtet sein kann.

beitrag_kunstAber auch bei den eigentlich gut aufgeklärten typischen Verwertern, die seit Bestehen der Künstlersozialversicherung pflichtgemäß ihrer KSK- Melde- und Zahlungspflicht nachkommen, kommt immer wieder Erstaunen über Sachverhalte auf, die sie bisher auch nach langem Nachdenken nicht in die Kategorie eines abgabeauslösenden Tatbestands eingeordnet haben und die in früheren Jahren auch nicht von der Künstlersozialkasse erkannt oder zumindest übersehen wurden.

Diese Situation hat sich durch veränderte Prüfungsvorschriften und der Übergabe der Prüfungskompetenz auf die Rentenversicherung drastisch verändert. Nicht nur, dass die Prüfung der Künstlerabgabe jetzt als regelmäßige Routineaufgabe den Außenprüfern der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) zufällt. Vielmehr wurde mit Wirkung ab 2015 auch eine bestimmte Prüfungsdichte gesetzlich verankert. Danach wird nicht nur den typischen Verwertern, sondern letztendlich allen Betrieben, die mehr als 19 Beschäftigte haben grundsätzlich alle vier Jahre, also im Mindestprüfrhythmus der allgemeinen SV-Prüfung, von Amts wegen auf den Zahn gefühlt. Für die Betriebe, die dann noch geplant oder ungeplant durch das Prüfungsnetz fallen, hat sich der Gesetzgeber eine Besonderheit ausgedacht, wie er mit Gesetzeskunst die Verjährung verhindert (siehe Abschnitt ganz unten).

Neben dieser grundsätzlichen Prüfungs- und Aufklärungsarbeit hat der Wechsel der Prüfungskompetenz aber auch dazu geführt, dass nach dem Motto „neue Besen kehren gut“ auch Sachverhalte „entdeckt“ wurden, die vielleicht in der Vergangenheit noch „durchgegangen“ sind und die zunehmend Probleme bereiten, mindestens aber die Unsicherheit aufzeigen, die durch den verschärften Prüferblick in der Praxis entstanden sind. Nachfolgend soll auf drei Praxisprobleme eingegangen werden.

Praxisproblem 1. Wo beginnt, wo endet eine künstlerische Leistung.

Leider gibt es immer Sachverhalte, bei denen nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob eine Leistung „noch“ herkömmlicher Art oder „schon“ als Kunst einzuordnen ist. Eine Frage, der gerade die leidgeprüften „typischen Verwerter“ beinahe täglich ausgesetzt sind. Entscheiden muss dies der Unternehmer in eigener Verantwortung. Er kann und darf sich nicht darauf verlassen, welche Einschätzung der Leistungserbringer selbst über die Klassifizierung seiner Leistung hat. Schon gar nicht interessiert es, ob der Leistungserbringer zum Personenkreis der in der Künstlersozialversicherung versicherten Selbstständigen gehört, denn einerseits lösen auch Leistungen von nichtversicherungspflichtigen Künstlern und Publizisten die Künstlerabgabe aus, andererseits sind nicht automatisch Leistungen von versicherten Künstlern automatisch abgabenpflichtig, denn auch ein versicherter Künstler kann durchaus im Einzelfall nichtkünstlerische Leistungen erbringen. Auch die Vergabe der Mehrwertsteuerquote von sieben Prozent ist nur ein Indiz, dass der Auftraggeber von einer künstlerischen Leistung ausgeht. Verneint der Unternehmer eine Abgabepflicht, so geht er in Grenzfällen immer das Risiko ein, dass der Betriebsprüfer anderer Meinung ist. Danach hilft nur, entweder die Meinung der Betriebsprüfer zu akzeptieren und die Beiträge nachzuzahlen (gegebenenfalls mit Säumniszuschlägen) oder den Klageweg zu bestreiten. Schaut man sich insoweit die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Definition der Künstlerleistung an, wird damit das Problem der Rechtsunsicherheit über den Begriff der künstlerischen Leistung nicht wirklich gelöst.

So hatte das BSG zu entscheiden, ob das Vorführen von Damenunterwäsche nur ein abgabefreies Herzeigen von Kleidungsstücken oder schon abgabepflichtige Kunst ist. Wenn das BSG letzteres bejaht, weil „eigenschöpferische Bewegungsabläufe“ gezeigt würden und wenig später dasselbe Gericht die Arbeit eines Tanzlehrers für „Tango Argentino“ als abgabefreie „Sportausübung“ klassifiziert, dann zeigt dies nur, wie man sich in Grenzfällen trefflich über die Abgabepflicht streiten kann. Dass selbst in der Künstlersozialversicherung gewandte Medienunternehmen hier falsch liegen können, musste der Fernsehsender RTL erfahren. Bei diesem hatten findige Betriebsprüfer das Honorar eines Herrn Dieter Bohlen ausfindig gemacht, aus dem keine Künstlerabgabe abgeführt worden war. Herr Bohlen, so wehrte sich RTL gegen eine Beitragsnachforderung von reichlich sechsstelliger Größe, habe ja als Juror für die Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ gewirkt und das sei ja schließlich keine Kunst. Auch hier sah das BSG eine eigenschöpferische Tätigkeit und der daraus folgende Kunstbegriff, lasse eine „Niveaukontrolle“ nicht zu.

Nun wird zwar nicht jedes Unternehmen jeden Tag über Sachverhalte analog dem „Dieter Bohlen-Urteil“ entscheiden müssen, aber zum Beispiel wird bei Auftragsvergaben im Rahmen von Internetauftritten oftmals die Entscheidung zu treffen sein, ob und gegebenenfalls in welchem Produktionsabschnitt das Arbeiten an einem Webauftritt „noch“ abgabenfreie Programmierarbeit oder „schon“ abgabenpflichtige „Webdesignertätigkeit“ ist.

Praxisproblem 2: Die Kettenbeauftragung

Dass sich eine Abgabenpflicht auf eigenartige Weise vermehren kann, zeigt der „Designerfall“ des BSG (Urteil vom 25.2.2015, B 3 KS 5/13 R). Diesem liegt ein Sachverhalt zugrunde, der nicht selten vorkommt. Ein Diplom-Designer erhielt den Auftrag für die Gestaltung eines Internetauftritts. Zweifelsohne eine künstlerische Tätigkeit, so dass aus der entsprechenden Auftragsrechnung Künstlersozialabgabe fällig wurde.

Allerdings hatte der Designer seinerseits Teile des Auftrags an andere Designer weitergegeben. Das nahm die Künstlersozialkasse zum Anlass den Diplomdesigner aus den an die anderen Designer gezahlten Honoraren ebenfalls mit der Künstlerabgabe zu belasten. Der Einwand des Designers klingt zunächst einleuchtend, denn damit sei für doch für dieselbe Leistung eine doppelte Verbeitragung erfolgt und schließlich sei nicht er, sondern der Endabnehmer des Gesamtwerks der „kunstverwertende Unternehmer“. Das Argument ließ das BSG nicht gelten, denn für die Abgabe sei wesentlich, dass eine eigenständige künstlerische Leistung erbracht worden sei, ein Aufgehen in das Gesamtwerk sei insoweit irrelevant.

Gerade für Verlage, bei denen nicht selten ein Produkt von einer beauftragten Person mit Hilfe weiterer Unterbeauftragungen, wie Werbefotografen, Zeichner oder weitere freie Autoren „zusammengesetzt“ wird, ist dies ein zu beachtendes Urteil.

Praxisproblem 3: Die Tücken der Beitragsberechnung bei typischen Verwertern

Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe ist bei typischen Verwertern nicht nur das, was vom abgabepflichtigen Unternehmen selbst in Auftrag gegeben und vergütet wurde. Vielmehr sind auch mittelbare Geldflüsse heranzuziehen, die auch dann zu einer Abgabenpflicht führen können, wenn das typische Unternehmen selbst am Künstler oder Publizisten nichts verdient oder sogar ein Verlustgeschäft betreibt.

Zu welchen Ergebnissen dies führen kann, zeigt überdeutlich der „Musikraumfall“ des BSG (Urteil vom 30.9.2015, B 3 KS 1/14). Eine Diplom-Musiklehrerin hatte eine Geschäftsidee: Sie mietete ein Haus mit dem Ziel einzelne Räume an selbstständig tätige Musiklehrer weiter zu vermieten, damit diese Gelegenheit hatten, Musikunterricht zu erteilen. Steuerlich gesehen erzielte sie damit Einkünfte aus „Vermietung und Verpachtung“. Dies in einer bescheidenen Höhe, die darauf angelegt war, dass sich das Vermietungsobjekt zur Freude der Untermieter und Musikschüler selbst trägt und dauerhaft keine Verluste entstehen. Die Betriebsprüfung brachte der Musiklehrerin folgende überraschenden Ergebnisse:

  1. Aus Sicht der Künstlersozialabgabe handele es sich nicht um die Vermietung von Räumen, sondern um das Betreiben einer Musikschule, was wiederum den Tatbestand eines typischen Verwerters nach 24 Nr. 9 KSVG (Aus und Fortbildungseinrichtung für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten) erfüllt.

2. Als Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe wurden per Schätzung die Einnahmen zugrunde gelegt, die von den Untermietern den Musikschülern bzw. deren Eltern in Rechnung gestellt wurden. Also aus einem Vertragsverhältnis, an dem die Vermieterin gar nicht beteiligt war und zudem sie auch keinerlei Kenntnis davon hatte, wie hoch denn die tatsächlich erzielten Einnahmen der einzelnen Musiklehrer waren.

Die Folge für die gescheiterte Geschäftsidee: Der Beitragsbescheid für die Künstlersozialabgabe überstieg erheblich die Einnahmen, die aus den wirklichen Einkünften, nämlich der Vermietung von Räumen erzielt worden waren.

Was bleibt ist die Frage, wie denn bei derartigen Sachverhalten in den jährlich zu erstellenden Meldungen derartige virtuelle Zahlungsflüsse richtigerweise eingetragen werden können. Dazu das BSG wörtlich: „Es liegt im Verantwortungsbereich eines abgabepflichtigen Unternehmens, durch entsprechende Vertragsgestaltung mit den Künstlern sicherzustellen, dass diese ihm zu mindestens einmal jährlich eine Aufstellung über die von ihnen vereinnahmten Entgelte für künstlerische Leistungen zukommen lassen, um konkrete Meldungen abgeben zu können“.

Geradezu tragisch wird die Betrachtung dieses Falls dann, wenn man sich noch vorstellt, dass die Musiklehrerin möglicherweise selbst als Künstlerin zum versicherungspflichtigen Personenkreis der Künstlersozialversicherung gehört. Eigentlich ein Segen, denn damit wird sie bekanntlich nur hälftig zur Beitragstragung herangezogen, die andere Hälfte wird durch die Künstlersozialabgabe maßgeblich finanziert. Der Musikraumfall zeigt, dass es der Künstler selbst sein kann, der sich am System der Künstlersozialabgabe beteiligen muss.


Mit Gesetzeskunst die Verjährung verhindert

Beiträge zur Künstlersozialabgabe unterliegen wie alle Forderungen aus dem Bereich der Sozialversicherungsbeiträge einer besonderen Verjährungsvorschrift, die gemäß § 22 SGB IV vier Jahre beträgt. Entdeckt ein Betriebsprüfer Sachverhalte die außerhalb dieser sogenannten Regelverjährung liegen, so kann er diese gleichwohl nachfordern, wenn dem Unternehmen vorgeworfen werden kann, die Beiträge „vorsätzlich“ nicht abgeführt zu haben. Dann können sogar noch Beiträge über einen Zeitraum von dreißig Jahren nachgefordert werden. Als Vorsatz reicht dabei auch der bedingte Vorsatz aus, im Juristenlatein „Dolus eventuales“ genannt. Vier Jahre oder dreißig Jahre? Angesichts des dabei bestehenden Risikos wundert es nicht, wenn bei Beitragsnachforderungen oftmals nicht über die objektive Beitragspflicht, sondern „nur“ darüber gestritten wird, ob die Grenze von der sogenannten groben Fahrlässigkeit zum bedingten Vorsatz überschritten ist. Der Einwand, dass man zwar objektiv falsch gehandelt haben mag, aber subjektiv keinen Anlass gesehen hat, über eine Beitragspflicht nachzudenken, kann hier durchaus berechtigt und entscheidungserheblich sein. So gesehen bestehen für den Fall, dass Beiträge aus Sachverhalten, die bei Betriebsprüfungen im Jahr 2016 aufgedeckt werden und die vor dem Veranlagungsjahr 2012 liegen, durchaus Chancen sich hier mit guten Argumenten gegen den Vorwurf der vorsätzliche Beitragshinterziehung zur Wehr zu setzen.

Für zukünftige Fälle wird dies jedoch ungleich schwieriger werden. Dafür hat der Gesetzgeber mit einer Regelung gesorgt, bei der man versucht ist, diese der zwar nicht abgabeauslösenden aber begrifflich zutreffenden Bezeichnung „Juristenkunst“ zuzuordnen.

Unternehmen, „die nicht vom beabsichtigten Prüfungsrythmus erfasst werden“ so regelt es § 28 p SGB IV ausdrücklich, „werden im Rahmen der herkömmliche Betriebsprüfung beraten“. Sie „erhalten Hinweise zur Künstlersozialabgabe, dessen Empfang sie schriftlich bestätigen müssen und erklären, dass sie über die Künstlersozialabgabe unterrichtet wurden und abgabepflichtige Sachverhalte melden werden. „Man kann davon ausgehen, dass die schriftlichen Bestätigungen über die Reichweite der Künstlersozialabgabe nicht den üblichen Aktenvernichtungsfristen zum Opfer fallen werden und auch noch nach dreißig Jahren gegen den Einwand gezückt werden, man habe doch nicht vorsätzlich gehandelt, sondern fest geglaubt, dass dieser oder jene Sachverhalt nicht der Abgabepflicht unterlag.