Bertelsmann-Studie untersucht Entwicklung tatsächlicher und gewünschter Arbeitszeit von Männern und Frauen

Männer arbeiten im Durchschnitt neun Stunden pro Woche mehr als Frauen. Dabei möchten mehr Männer als Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren und andererseits mehr Frauen als Männer ihre Arbeitszeit ausweiten. Damit besteht Potenzial zur Angleichung der Arbeitszeiten zwischen den Geschlechtern, so das Ergebnis einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Dem Unterschied zwischen tatsächlichen und gewünschten Arbeitszeiten, den sogenannten Arbeitszeitdiskrepanzen, widmet sich die jüngst von der Bertelsmann-Stiftung vorgelegte Studie „Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Unter- und Überbeschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt“. Diese zeigt: Betrachtet man zunächst die tatsächlichen Arbeitszeiten in Deutschland getrennt nach Geschlecht, lässt sich eine große Lücke erkennen: Erwerbstätige Männer arbeiten im Durchschnitt mit 41 Stunden pro Woche 9 Stunden mehr als Frauen, bei denen der Wochendurchschnitt bei 32 Stunden liegt.

Ein genauerer Blick auf die Verteilung der individuellen Arbeitszeitwünsche offenbart jedoch großes Potenzial für eine Angleichung der Arbeitszeiten zwischen den Geschlechtern. So sehen sich deutlich mehr Männer als Frauen überbeschäftigt und gleichzeitig deutlich mehr Frauen als Männer unterbeschäftigt. Demnach wünschen sich Männer mit 37 und Frauen mit 30 Stunden pro Woche eine kürzere Arbeitszeit. Insgesamt arbeiten 50 Prozent der männlichen und 41 Prozent der weiblichen Beschäftigten mehr, als sie gerne würden, und sind damit überbeschäftigt.

Beim Blick auf jene Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit gerne ausweiten würden und somit unterbeschäftigt sind, zeigt sich: Der Anteil der Frauen ist hier mit 17 Prozent fast doppelt so hoch wie bei Männern – von ihnen arbeiten nur rund neun Prozent weniger als gewünscht.

Die individuellen Arbeitszeitwünsche von Männern und Frauen offenbaren großes Potenzial für eine Angleichung der Arbeitszeiten (Quelle: Bertelsmann Stiftung). Die individuellen Arbeitszeitwünsche von Männern und Frauen offenbaren großes Potenzial für eine Angleichung der Arbeitszeiten (Quelle: Bertelsmann Stiftung).

Unterschiedliche Arbeitszeiten sind einer der Hauptgründe für die unterschiedlichen Erwerbseinkommen von Männern und Frauen. Unsere Analysen zeigen: Das Potenzial für die Angleichung von Arbeitszeiten ist da. Und es ist auch gesellschaftlich geboten“, kommentiert Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, das Ergebnis.

Insbesondere Müttern fällt Realisierung ihrer Arbeitszeitwünsche schwer

Insbesondere Müttern fällt es schwer, ihre Arbeitszeitwünsche zu realisieren, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. Die Berechnungen zeigen, dass dies vor allem auf den Mangel an Betreuungsmöglichkeiten oder die zu hohen Kosten dafür zurückzuführen ist. Lassen sich Familie und Beruf gut miteinander vereinbaren, können auch Arbeitszeitwünsche besser verwirklicht werden. Auf die Arbeitszeitwünsche von Männern haben Kinder und die Betreuungssituation hingegen so gut wie keinen Einfluss. Dies deutet darauf hin, dass die traditionelle Rollenaufteilung nach wie vor dominiert.

Corona-Pandemie verschärft die Situation

Erste Untersuchungen zeigen zudem, dass sich auch die pandemiebedingten Kita- und Schulschließungen negativ auf die Arbeitszeitwünsche von Müttern auswirken. Ohne funktionierende Kinderbetreuung ziehen sie sich weiter aus der Erwerbsarbeit zurück. „Die Pandemie verdeutlicht: Gute Kitas und ein gutes Ganztagsangebot in den Schulen sind zentral, damit Mütter ihre Arbeitszeitwünsche umsetzen können“, so Dräger.

Darüber hinaus müssten Fehlanreize im Steuer-, Abgaben- und Transfersystem abgebaut werden, weil sie die Mehrarbeit für Frauen und Mütter häufig unattraktiv machen. Die Verwirklichung von Arbeitszeitwünschen von Männern und Frauen ist aber eine wesentliche Voraussetzung für eine gleichere Aufteilung der Erwerbs- und Fürsorgearbeit.

Die Studie „Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Unter- und Überbeschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt“ steht hier zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Quelle: Bertelsmann Stiftung

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