Die parlamentarische Sommerpause des Bundestags ist seit einigen Tagen vorbei. Mancher meint, es habe 2016 gar keine Sommerpause gegeben. So groß die aktuellen politischen Herausforderungen sind, so wichtig sind die freien Medien für das Funktionieren der Demokratie. Gerade deshalb verdienen deren wirtschaftliche Rahmenbedingungen umfassende Berücksichtigung durch die Politik, zum Beispiel der existenzielle Beitrag der kommerziellen Kommunikation zur Refinanzierung der Medien. Doch der Wert der Werbung geht darüber hinaus, betont Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger in seinen STANDPUNKTEN.

Freiheit, Vielfalt, Wettbewerb!

Ich finde es bemerkenswert, mit welch gruseligem Selbstverständnis immer weitere Werbebeschränkungen aus den Schubladen gezogen werden. Dahinter steckt ein sehr tragisches Bild des Verbrauchers, das vom mündigen Bürger weit entfernt ist: Man muss die armen Menschen vor sich selber schützen, weil sie Werbebotschaften und die Komplexität der Welt nicht durchschauen. Und das in einer Zeit, in der man sich über jedes Thema in Print, Web, Mobile oder TV hervorragend informieren kann – wenn man nur will.

beitrag_verbraucherWerbung ist Teil unserer vielfältigen Gesellschaft, durchaus auch ein Barometer für den Grad gesellschaftlicher Freiheit. Werbung trägt auch dazu bei, dass sich unabhängige Presse finanzieren kann. Wenn man in einem Land leben will, in dem es eine unabhängige Presse und mediale Vielfalt gibt, sind weitere Werbeverbote mehr als nur schädlich. Im Übrigen: Werbeverbote helfen dem, der sowieso schon Marktführer ist. Davon profitieren jene Unternehmen am ehesten, die die stärksten Marken haben.

‚Vielfalt, Freiheit und Wettbewerb seien so wichtig‘, geht vielen entspannt über die Lippen. Momentan sehen wir in vielen Feldern – etwa bei Suchmaschinen, Social Media oder Mediaagenturen – das absolute Gegenteil: die Entstehung von Monopolen und Oligopolen und das Zurückgehen von Wettbewerb und Vielfalt durch globale Netzwerkeffekte. Digitale Werbeausgaben in den USA landen zu fast 70 Prozent bei Google und Facebook. Meine Prognose: In zwei, drei Jahren teilen sich Google, Facebook, Amazon und ein paar andere globale Plattformen die Erlöse zu 80 Prozent weltweit. Das ist eine Entwicklung, die mir große Sorgen bereitet.

Die Verleger pflegen den Wettbewerb im Sinne der Kunden. Am Kiosk kämpfen die Titel um den Regalzentimeter, im Internet wird um jeden Leser gerungen. In Deutschland gibt es fast 6.000 Zeitschriftenmarken, mit tausenden Webseiten – hier lassen sich alle Meinungen und Positionen finden, die die Pressefreiheit ermöglicht. Die Branche ist agil. Für die erste Jahreshälfte erwarten wir rund 60 neue Titeleinführungen. Nur der Unternehmer kann und wird weiter investieren, der seine Produkte profitabel gestalten kann. Leser bezahlen jeden Monat rund 260 Millionen Euro am Kiosk oder im Abo für Zeitschriften. Dazu kommen die Werbeerlöse. Werbebeschränkungen gefährden diese Refinanzierungsmöglichkeit für Journalismus ohne Not!

Professioneller Content ist der Treibstoff der digitalen Revolution! Meine Sorge ist, dass die Kreativwirtschaft, die die Inhalte produziert – ob Musik, Theaterstücke, Filme oder journalistische Beiträge – es immer schwerer haben wird, sich unternehmerisch und damit auch unabhängig zu refinanzieren.

Ein weiteres Negativbeispiel sind Adblocker, die die Monetarisierung journalistischer Angebote erheblich erschweren. Die Verlage machen es hier genau richtig: Auf der einen Seite gehen sie gegen Adblocker den juristischen Weg. Adblockeranbieter sind Wegelagerer, die unter dem Deckmäntelchen des Verbraucherschutzes erpresserische Geschäftsmodelle verfolgen. Das Whitelisting, bei dem man sich vom Geblocktwerden freikauft, ist ein Teil davon. Als Ultima Ratio wäre eine gesetzliche Regelung wünschenswert. Die Verlage ziehen aber nicht nur vor Gericht, sondern sie erklären sich auch ihren Lesern. Verlage haben damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht, die Zahl der Adblockernutzer geht zurück. Den Lesern wird erklärt, warum guter Journalismus einen Wert hat und Werbung dazugehört. Und das Dritte ist eine Kreativdiskussion in den Agenturen darüber, wie man bessere, leserorientierte Werbung macht. Weitere Werbeverbote oder Tolerierung erpresserischer Adblockermodelle sind in jedem Fall die falsche Antwort.

Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V.

Dieser Beitrag wurde auf zaw.de vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. am 9. September erstveröffentlicht.