Befragten fällt es vielfach schwer, zwischen Werbung, Information, Desinformation und Meinung zu unterscheiden

Bisher fehlten verlässliche Daten zu Informations- und Nachrichtenkompetenzen in der deutschen Bevölkerung – und damit die Grundlage für eine gezielte Medienbildungspolitik. Eine Studie der Stiftung Neue Verantwortung, der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und mehrerer Landesmedienanstalten liefert nun wichtige Hinweise. Untersucht wurde, wie gut die Deutschen in der Lage sind, Nachrichten zu verstehen, einzuordnen und zu hinterfragen. Demzufolge verfügen die meisten Befragten über eine nur geringe digitale Nachrichten- und Informationskompetenz.   

Für das Projekt „Digitale Nachrichten- und Informationskompetenz“ entwickelten die Macher der Studie gemeinsam mit einer Expertengruppe einen Nachrichtenkompetenz-Test, der im Herbst 2020 mit einer repräsentativen Stichprobe für die deutschsprachige Bevölkerung mit Internetzugang in Deutschland ab 18 Jahren durchgeführt wurde. Dafür wurden mittels Online-Interviews bundesweit 4.194 Internetuser befragt und getestet.

Der Test ging dabei anhand von Testfragen und -aufgaben auf das gesamte Spektrum der digitalen Nachrichtenkompetenz ein, also

  • die Fähigkeit zur Navigation in digitalen Medienumgebungen,
  • die Beurteilung der Qualität von Nachrichten und Inhalten,
  • das Prüfen von Informationen und Quellen,
  • die Diskursfähigkeit
  • sowie Kenntnisse über die Funktionsweise von digitalen Öffentlichkeiten.

Es handelt sich damit um einen der weltweit ersten Tests zu Informations- und Nachrichtenkompetenzen einer gesamten Bevölkerung.

Einige zentrale Test-Ergebnisse im Überblick:  

  1. Den Befragten fällt es zum Teil schwer, zwischen Werbung, Information, Desinformation und Meinung zu unterscheiden. So hielten zum Beispiel 56 Prozent der Befragten ein Advertorial – trotz Werbekennzeichnung – fälschlicherweise für eine Information. Nur 23 Prozent erkannten, dass es sich um Werbung handelt. Ebenfalls kritisch ist die Unterscheidung zwischen meinungs- und tatsachenorientierten Beiträgen.
  2. Ob eine Quelle neutral oder vertrauenswürdig ist, wird oft richtig eingeschätzt. Allerdings fällt es – trotz weiterführender Informationen – oft schwer, die konkreten Interessenskonflikte zu benennen. So erkannten 65 Prozent der Befragten, dass der Geschäftsführer eines Flugreisenportals als Autor eines Beitrags zum Thema Fliegen keine neutrale Quelle ist. Doch nur die Hälfte der Befragten konnten auch den konkreten Interessenskonflikt benennen.
  3. Kennzeichnungsstrategien von Social-Media-Plattformen zu Desinformationen sind bisher kaum wirksam. Ob das Facebook-Label zum Faktencheck einer Falschnachricht oder der Wikipedia-Hinweis auf YouTube zur Finanzierung eines Staatssenders: Maximal ein Viertel der Befragten identifizierte die Markierung als hilfreichen Hinweis bzw. konnte die Information richtig einordnen.
  4. Der Gedanke, es gäbe gemeinsamen Machenschaften zwischen Medien und Politik, ist weit verbreitet: Ein Viertel der Bevölkerung teilt “Lügenpresse”-Vorwürfe. Nur die Hälfte der Befragten weiß zudem, dass Nachrichten über einen Bundesminister ohne die Genehmigung des Ministeriums veröffentlicht werden dürfen.

Jüngere Generationen kompetenter als Ältere – allerdings abhängig vom Bildungsabschluss

Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen, wurde für den Test ein Punktesystem entwickelt, bei dem die Befragten maximal 30 Punkte erreichen konnten. Erreicht wurden im Durchschnitt 13,3 Punkte und damit weniger als die Hälfte der möglichen Punkte. Dabei liegt ein Drittel der Befragten im Mittelfeld. Nur 22 Prozent erreichten hohe oder sehr hohe Kompetenzwerte und mit 46 Prozent liegen die meisten Befragten im Bereich der (sehr) geringen digitalen Nachrichten- und Informationskompetenz.

Dabei zeigt sich auch: Je jünger, desto kompetenter. Neben dem Alter spielt zudem die Schulbildung eine zentrale Rolle. Generell gilt quer durch alle Altersgruppen: Je höher die formale Schulbildung, desto höher die Kompetenzwerte und desto höher auch das Vertrauen in Journalismus und Politik.

Befragten fehlt es an ganz konkreten Kenntnissen und Fähigkeiten

Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass die Deutschen in fast allen Kompetenz-Bereichen überwiegend mittelmäßig bis schlecht abgeschnitten haben und es oft an ganz konkreten Kenntnissen und Fähigkeiten fehlt. Insofern belegen die Ergebnisse dieser Erhebung auch, dass Bürger viel zu lange damit allein gelassen wurden, sich in immer komplexeren Medienumgebungen selbst zurecht zu finden.

Neben einer besseren digitalen Schul- und Erwachsenenbildung fordern die Experten der Studie daher mehr Transparenz und klarere Kennzeichnungen bei journalistischen Angeboten sowie bessere Plattform-Architekturen.

Online-Anwendung zum Testen der eigenen Nachrichtenkompetenz  

Die Ergebnisse der Studie „Quelle: Internet“? Digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen der deutschen Bevölkerung im Test“ findet man auf der Homepage der Stiftung Neue Verantwortung zum Download.

Die Studie wird begleitet von einer frei zugänglichen Online-Anwendung, mit der man seine eigene Nachrichtenkompetenz testen kann.

Quelle: Stiftung Neue Verantwortung

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