Individualisierte Angebote auf digitalen Verlagsplattformen haben noch Seltenheitswert

Cover impresso 4-21

 

Netflix, Amazon und Spotify arbeiten längst mit personalisierten Content-Angeboten. Auch die Verlagsbranche könnte auf ihren digitalen Plattformen ihren Usern individualisierte Inhalte bieten und somit die Kundenbindung erhöhen. Doch entsprechende Experimente sind derzeit noch selten. Eine Leseprobe aus der aktuellen Ausgabe 4/2021 unseres Mitgliedermagazins impresso

Es ist ein schleichender Prozess, der keinem so richtig auffiel. Vor einigen Jahren noch war das Ergebnis für alle ähnlich, wenn man einen Begriff in die Google-Suche eingab. Inzwischen liefern Algorithmen in Sekundenbruchteilen höchst individuelle Antworten. Sie richten sich nach dem, welche Seiten sich der User vorher angesehen hat, welche Apps er nutzt, welche Daten er hinterlegt, welche Orte er besucht hat und was er gerne auf YouTube guckt. Glaubt man Umfragen, so empfinden viele Deutsche angesichts der damit verbundenen Datenerhebung Unbehagen. Andererseits aber weiß man den Komfort durchaus zu schätzen. „Es zeigt sich eine Diskrepanz in der Einstellung“, sagt Stefan Herzog, Leiter des Forschungsschwerpunkts „Stärkung von Entscheidungskomptenzen“ im Forschungsbereich Adaptive Rationalität des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. „Einerseits akzeptiert die Mehrheit maßgeschneiderte Unterhaltungsangebote, Suchergebnisse und Werbeanzeigen. Andererseits aber lehnt sie das derzeitige Sammeln von Daten ab, das eine solche Personalisierung ermöglicht.“

Google mit seinen personalisierten Antworten bildet keine Ausnahme. Bei den großen Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram und TikTok arbeiten Tausende von Datenspezialisten, die nur ein Ziel verfolgen: den User so lange wie möglich auf der Plattform zu halten. Dazu nutzen sie Künstliche Intelligenz. Diese Algorithmen sind in der Lage, aus Datenbergen Zusammenhänge zu erkennen, auf die sonst kaum einer gekommen wäre. Zudem treffen sie vorausschauende Prognosen. Solch eine Software kommt auch bei Netflix oder Spotify und deren Recommendation Engines zum Einsatz. Sie liefern Empfehlungslisten für Serien und Filmen, Podcasts und Songs, die sich am Profil und der bisherigen Mediennutzung jeder einzelnen Person orientieren. Damit bleibt einem erspart, sich mühsam durch die Mediathek zu scrollen und selbst nach anderen, passenden Contentangeboten zu fahnden.

DRIVE: Welcher Inhalt passt zu welcher Zielgruppe?

Auch im E-Commerce sind solche Strategien das große Ding. „Der Wunsch nach Personalisierung des Einkaufserlebnisses wird bei den Nutzern immer größer, schließlich sind sie es von Amazon und Netflix gewöhnt, individuell auf sie zugeschnittene Inhalte zu sehen“, sagt Felix Schirl, Gründer und CEO der trbo GmbH, einer Firma, die sich auf KI-gestützte Onsite-Personalisierung spezialisiert hat. Zu den Kunden zählen Händler, Markenartikler, Hersteller, aber bislang so gut wie keine Publisher. „In der Medienbranche ist personalisierter Content noch nicht so weit verbreitet, wie er sein könnte“, meint Schirl. „Die Branche steht hier noch ganz am Anfang“, meint auch Rolf-Dieter Lafrenz, Partner der Unternehmensberatung Schickler, die auf die Medien- und Kommunikationsbranche fokussiert.

Schickler hat zusammen mit der Nachrichtenagentur dpa und vier regionalen Medienhäusern – Medienhaus Aachen, Mediengruppe Aschendorff, Badischer Verlag und Mittelbayerischer Verlag – die Digital Revenue Initiative (DRIVE) gegründet. Damit will man gemeinsam die Einführung personalisierter Inhalteangebote beschleunigen. In einem Blogbeitrag beschreibt Meinolf Ellers, Chief Digital Officer der dpa, dass die Personalisierung eine wesentliche Voraussetzung sei, digitale Abo-Erlöse zu steigern. Derzeit sind die beteiligten Verlagshäuser dabei, Nutzungsdaten zu analysieren, die Themenvorlieben der Leser zu ermitteln und so Erfolgsfaktoren für Inhalte zu bestimmen. Es geht um die Frage, welcher Inhalt zu welcher Zielgruppe passt und wann und wo die Artikel gelesen werden. Mit dem Tablet auf dem Sofa? Oder auf dem Weg zur Arbeit auf dem Smartphone? Es geht um eine exakte Segmentierung, die alle Leser unterschiedlich behandelt, je nach Themen-Vorlieben und Nutzungssituation. Weiterlesen in der aktuellen impresso-Ausgabe

Von Helmut van Rinsum, Medienjournalist, München

Dieser Artikelauszug wurde der aktuellen Ausgabe 4/2021 unseres Mitgliedermagazins impresso entnommen. Informationen zum Bezug der Zeitschrift finden Sie hier.

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