Ist bevorzugte Verbreitung des BMG-Portals gesund.bund.de ein Angriff auf die Pressefreiheit?

Mit dem neuen Gesundheitsportal gesund.bund.de, das im September online gegangen ist, will das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Bürger „schnell, zentral, verlässlich, werbefrei und gut verständlich über alle Themen rund um Gesundheit und Pflege informieren“. In der vergangenen Woche gaben nun Gesundheitsminister Jens Spahn und Philipp Justus, Vice President von Google Zentral-Europa, eine Kooperation zur Verbreitung der Inhalte des Gesundheitsportals bekannt. Seitdem hagelt es massive Kritik von Verlagsseite. Zudem berichten mehrere Medien übereinstimmend, dass die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein deswegen ein Verfahren gegen Google eingeleitet hat.

VDZ sieht in Kooperation „Verletzung von Mediengrundrechten“

Dem offiziellen Blog von Google Deutschland zufolge sind zum Start der Kooperation mit dem BMG in sogenannten „Knowledge Panels für Gesundheitsthemen“ Informationen zu mehr als 160 Krankheitsbildern basierend auf den Inhalten des BMG-Gesundheitsportals des verfügbar.

Gleich nach Bekanntgabe der Kooperation reagierte der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) mit scharfer Kritik auf das Vorhaben. Der Verlegerverband sieht in dieser Kooperation staatlicher Medientätigkeit mit dem Suchmonopol eine Verletzung von Mediengrundrechten. „Bereits am Tag 1 der Kooperation finden sich auf der maßgeblichen ersten Suchergebnisseite bei Stichproben in der Regel fast nur noch Regierungsinformationen zu Gesundheitsfragen“, stellt der VDZ fest. VDZ-Präsident Dr. Rudolf Thiemann spricht in dem Zusammenhang von einem „einmaligen und neuartigen Angriff auf die Pressefreiheit.“

Ähnliche Kritik kommt aus den Reihen der Zeitungsverleger. Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), sagt dazu, das BMG „stärkt damit die quasimonopolistische Stellung des Suchmaschinenkonzerns zu Lasten kleinerer Anbieter.

Auch einzelne Verleger schließen sich der Kritik der Verbände an. Andreas Arntzen, Vorsitzender der Geschäftsführung des Wort & Bild Verlags (Apotheken Umschau), erklärt im Interview mit HORIZONT, dass die Kooperation die Grundsätze der Pressefreiheit berühre und er in dem Angebot eine Bevormundung sieht. Jens Richter, Chefredakteur von NetDoktor.de, dem Portal unseres Mitgliedsunternehmens Hubert Burda Media, sieht in der Zusammenarbeit eine „offene Diskreditierung des freien Medizinjournalismus“.

Medienaufsicht leitet Verfahren wegen Benachteiligung anderer Anbieter ein   

Inzwischen hat sich auch die Medienaufsicht des Themas angenommen, wie mehrere Medien berichten. Demnach hat die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein stellvertretend für alle Landesanstalten ein Verfahren gegen Google eingeleitet.

Deren Direktor Thomas Fuchs bestätigte den Stuttgarter Nachrichten, dass Google „um Sachverhaltsaufklärung“ gebeten worden sei. „Es ist offensichtlich, dass Google durch die Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsministerium einen Anbieter bevorzugt“, wird Thomas Fuchs in der Zeitung zitiert. Mit einer Entscheidung in der Sache werde in „zwei bis drei Wochen“ gerechnet.

Mehr zum Thema:

vdz.de: Kooperation von Google und Bundesgesundheitsministerium diskriminiert Verlagsangebote

Verlegerverbände fordern: Verbot von Googles Selbstbegünstigung durchsetzen

Google News Showcase in Deutschland gestartet

Business- und Bildungs-Apps profitieren von Corona

Corona hat langfristige Auswirkungen auf die Wahrnehmung und Nutzung von Medien

Foto © BMG