Arbeitgeber müssen an ihrer „Recruitability“ arbeiten  

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Der Fachkräftemangel hat den Journalismus und die Medienunternehmen erreicht. Die Arbeitgeber müssen an ihrer „Recruitability“ arbeiten und werden selbst zu Bewerbern.  Eine Leseprobe aus der aktuellen Ausgabe 2/22 unseres Mitgliedermagazins impresso.

Wäre Ulrich Papendick hauptberuflich Personalvermittler, könnte er sich über einen Mangel an Arbeit nicht beschweren. Rund ein Dutzend Stellenangebote im Monat, von renommierten Zeitungen und Magazinen bis zu Fachmedien, erreichen den Direktor der Kölner Journalistenschule (KJS). Schon vor Corona habe die Nachfrage angezogen, jetzt verstärkt sie sich noch. Die rund 75 Journalistenschüler, verteilt auf vier Jahrgänge, „haben hervorragende Aussichten“, sagt der langjährige Redakteur des Manager Magazins.

Der Fachkräftemangel sei längst auch im Journalismus angekommen, konstatiert Sönke Reimers, Chef der dfv Mediengruppe, die in 13 Branchen publizistisch aktiv ist und rund 340 Fach- und Wirtschaftsjournalisten beschäftigt. „Es gibt immer weniger Bewerber:innen auf eine Stelle.“ Rund 30 vakante Stellen meldete der Deutsche Fachverlag zuletzt, besonders gesucht sind Datenjournalisten, Social-Media-Redakteurinnen und Volontäre. Wer als guter Wirtschaftsjournalist jetzt auf dem Markt ist, behauptet Kim Otto, „wird auf der Stelle weggekauft“. Einen Grund dafür sieht der Professor für Wirtschaftsjournalismus an der Uni Würzburg darin, dass es zu einer Ökonomisierung des Alltags gekommen sei. Daher haben laut Otto Zeitungen und Rundfunk in den vergangenen Jahren „die Wirtschaftsberichterstattung massiv ausgeweitet“.

„Die Talente haben gewonnen“

Der Arbeitsmarkt für Journalisten und Medienfachleute hat sich zu einem Anbietermarkt entwickelt, stellt auch Headhunter Philipp Fleischmann fest, der selbst jahrelang als Redakteur und Verlagsmanager tätig war. „Um es mit den Worten eines Managers zu sagen: Der War of Talents ist entschieden – die Talente haben gewonnen.“ Was heißt das für die Medienunternehmen? Julia Bönisch, die knapp 15 Jahre lang den Aufbau des Onlineportals der Süddeutschen Zeitung mit vorangetrieben hat, zuletzt als Chefredakteurin, ist eine der erfahrensten Managerinnen des Wandels. „Medien müssen ein attraktiver Arbeitgeber sein. Für das, was kommt, sind die klügsten Köpfe gefragt“, betont die jetzige Bereichsleiterin Digitale Transformation und Publikation der Stiftung Warentest. „Wenn die alle gehen oder gar nicht erst kommen, ist das ein Riesenproblem.“

Sprich: Nur wer genügend fähige Leute findet und an sich bindet, wird Wandel und Wettbewerb gut meistern. Wer hingegen zu viele Kompromisse macht oder machen muss, wird darunter leiden. Denn, so Bestseller-Autor Gunter Dueck („Schwarmdumm“, „Flachsinn“), „die Besten sind in Top-Jobs viele Male besser als der Durchschnitt und bringen den Gewinn heim – die Schlechtesten lösen oft teure Katastrophen aus“. Solche Leistungsträger zu identifizieren und gerade in Zeiten der Personalknappheit zu bekommen, dafür müssen Unternehmen ihre „Recruitability“ hochschrauben und die Erwartungen der Top-Leute erfüllen, die jenseits eines marktüblichen Gehalts liegen. Dueck nennt zum Beispiel „Projekte, an denen sie wachsen können, Inspiration, Persönlichkeitsentwicklung, Managementausbildung, um sich auch in Chefs und Kunden hineinzuversetzen oder die Freiheit, die weltbesten Kongresse zu besuchen“.

„Der kulturelle Fit spielt eine große Rolle“

Von Roland Karle, freier Journalist

Dieser Artikelauszug wurde der aktuellen Ausgabe 2/2022 unseres Mitgliedermagazins impresso entnommen. Weitere Informationen zur Zeitschrift finden Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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