Zu den Gewerkschaftsforderungen nach mehr Gehalt für angestellte Redakteure und einem Verbandsklagerecht zur Durchsetzung von Vergütungsregeln für freie Journalisten.

von Dirk Platte, VDZ-Justitiar, Geschäftsführer Verband der Zeitschriftenverleger Berlin-Brandenburg e.V., Geschäftsführer Fachverband Konfessionelle Presse.

Es ist mal wieder soweit: Zu Ende März konnte nach 30 Monaten erstmals der Gehaltstarifvertrag gekündigt werden. Verbunden mit einer Forderung von 4,5 Prozent haben die Journalistengewerkschaften den Startschuss für eine neue Tarifrunde gegeben. DJVPressesprecher Zörner attestierte dem VDZ einen guten Gesundheitszustand, weil seine Reflexe funktionierten,
als er die Forderungen umgehend ablehnte.

Dabei hatten die Gewerkschaften vergessen, dass der letzte Gehaltsabschluss daran geknüpft war, in der Folgezeit die notwendigen Reformen im Manteltarifvertrag anzugehen. Leider trat man in drei Sondierungsrunden nur auf der Stelle. So verlieren die Tarifverträge zusehends an Akzeptanz. Dem konstruktiven Umbau der Berufsjahresstaffel und den Verbesserungen bei der betrieblichen Altersversorgung im Presseversorgungswerk folgte leider keine Modernisierung des Manteltarifvertrages.

Verlagen drohen hohe Rück- und Nachzahlungen

Zudem kommen die Gehaltsforderungen zu einem denkbar ungünstigen Moment. Die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften an die Verlage stehen auf der Kippe. Das Bundesjustizministerium weigert sich, darauf durch nationale Gesetze zu reagieren. Der drohende (rückwirkende) Verlust der VG-Ausschüttungen könnte viele Verlage in ernste Schwierigkeiten bringen. Auch das Bundesfinanzministerium schadet den Presseverlagen sehenden Auges, wenn es die Nachversteuerung von Gratis-ePapern im Print-Bundle für die Vergangenheit verlangt. Dass diese Entscheidung nicht richtig war, bewies das Ministerium gleich selbst, als es später bei Gratis-eBooks eine generelle Nichtbeanstandung bis 31.12.2015 erließ.

Geplante Verschärfung des Urhebervertragsgesetzes destabilisiert Koalitionsfreiheit

Gleichzeitig beschließt das Bundeskabinett, das Urhebervertragsgesetz zu verschärfen, um das Vergütungsniveau für freie Urheber anzuheben. Dies soll vor allem durch eine Verbandsklage im Urheberrechtsgesetz erreicht werden, um gemeinsame Vergütungsregeln generell in den Unternehmen durchzusetzen. Die Auswirkungen dieses Verbandsklagerechts werden dabei völlig verkannt. Anders als im Tarifvertragsrecht, wo der gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer den verbandlich tarifgebundenen Unternehmer auf Einhaltung des Tarifvertrages gerichtlich in Anspruch nehmen kann, kann mit dem vorgeschlagenen Verbandsklagerecht die Urhebervereinigung/Gewerkschaft das (tariflich nicht gebundene) Mitglied eines Verwerter-/Arbeitgeberverbandes auf Einhaltung aller Regelungen einer gemeinsamen Vergütungsregel verklagen. Und dies eben auch dann, wenn im Verlag kein fester Mitarbeiter und kein freier Mitarbeiter Mitglied der Gewerkschaft/ Urhebervereinigung ist.

Damit ginge das Verbandsklagerecht – würde es im Bundestag tatsächlich eine Mehrheit bekommen – gleich in mehrfacher Hinsicht über das Tarifrecht hinaus:

  1. Keine aus der negativen Koalitionsfreiheit abgeleitete Möglichkeit einer Verbandsmitgliedschaft ohne Bindung an die Kollektivnorm Gemeinsame Vergütungsregeln.
  2. Keine beidseitige Tarifbindung erforderlich.
  3. Keine Tenorierung im Einzelfall, sondern ein weiter genereller Unterlassungsanspruch.
  4. Das Tarifrecht kennt die Einwirkungsklage der Arbeitnehmervereinigung gegen den Arbeitgeberverband; ein kollektiver Unterlassungsanspruch ist die Ausnahme.

Abmahnrecht der Verlage untereinander

Und damit nicht genug: Der Gesetzgeber regelt gleich das Wettbewerbsrecht mit, in dem er die konkurrierenden Vereinsmitglieder einlädt, sich gegenseitig auf Einhaltung aller Vergütungsregeln abzumahnen. So liefert man sich also durch Verbandsbeitritt gleichsam der Abmahnung der Vereinskollegen aus, doch bitteschön die gleichen Honorare zu zahlen wie sie. Und das völlig unabhängig davon; ob das neue Mitglied fünf freie Urheber beauftragt und 1 Mio. Umsatz macht oder 500 Freie unter Vertrag hat und 1 Mrd. Umsatz macht.

Vergütungsregeln verstoßen gegen EU-Kartellrecht

Noch schwerer als diese verfassungsrechtliche Problematik erscheint aber die europarechtliche. Nach dem Gutachten des Tübinger Universitätsprofessors Dr. Stefan Thomas verstoßen die Regelungen in § 36 UrhG klar gegen das Kartellverbot des Art. 101 AEUV, ohne dass die Voraussetzungen einer Freistellung ersichtlich seien. Denn freiberuflich tätige Urheber seien Unternehmen im Sinne des Kartellrechts. Dies bestätige ein Urteil des EuGH aus dem Jahr 2014. Die Abfassung und Praktizierung gemeinsamer Vergütungsregeln sei eine tatbestandsmäßige wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise, die geeignet sei, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen.

Dieser Text erschien zuerst im VDZ Kompendium 2016.