Deutsche Geschäftsreisende laut Harvard-Studie größter globaler Faktor

Für einige Aufregung sorgte kürzlich ein Bericht in der WELT AM SONNTAG, in dem das Ende der Geschäftsreisen-Ära vorausgesagt wurde. Denn eine Umfrage des ifo Instituts im zweiten Quartal im Auftrag des Personaldienstleisters Randstad unter 800 deutschen Personalleitern hatte ergeben, dass Dienstreisen in den Unternehmen derzeit auf den Prüfstand gestellt werden. In 61 Prozent der Firmen sollen künftig seltener Dienstreisen durchgeführt werden. 64 Prozent planen nach ifo-Angaben häufiger virtuelle Konferenzen einzuberufen und 59 Prozent beabsichtigen, weniger Vor-Ort-Meetings abzuhalten.

Ein ähnliches Bild zeichnet eine ebenfalls in dem Beitrag zitierte Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP). Knapp 90 Prozent der 500 im Mai befragten deutschen Unternehmen gaben demnach an, Dienstreisen zukünftig zumindest kritisch zu hinterfragen.

Geschäftsreisen mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung

Widerspruch gegen diese „fatalistischen Prognose“ folgte umgehend – und zwar vom Verband Deutsches Reisemanagement e. V. (VDR). Nach Auffassung des Geschäftsreiseverbands werden Dienstreisen und der persönliche Kontakt auch nach der Corona-Pandemie wichtiger Bestandteil der Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen sein. „Geschäftsreisen dienen einem unternehmerischen Zweck und sind eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Bei vielen Mitarbeitern wächst zudem der Wunsch, Geschäftspartner auch wieder persönlich zu treffen“, so VDR-Präsident Christoph Carnier in einer Presseerklärung.

Auch beim VDR geht man davon aus, dass die Corona-Krise die Anzahl und Struktur der dienstlichen Reisen verändert. Der Verband rechnet hier allerdings derzeit mit Rückgängen von zehn bis maximal 30 Prozent.

Neben ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für Unternehmen leisten Geschäftsreisen laut VDR zudem einen wichtigen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. So haben deutsche Unternehmen vor der Corona-Pandemie über 53 Milliarden Euro für Business Trips ausgegeben – die regionale Wertschöpfung, also die Ausgaben der Reisenden am Zielort etwa für gastronomische oder kulturelle Angebote, ist hierbei noch nicht berücksichtigt.

Bei Ausbleiben droht laut Harvard-Studie fettes Minus

Dass Geschäftsreisen und das Wachstum bestehender wie auch neuer Industriezweige in einem Land direkt miteinander zusammenhängen, zeigt nun auch eine Analyse des Growth Lab der Harvard University. Ausgangspunkt der Analyse war die Vermutung, dass es einen Unterschied macht, ob Know-how einfach als Information oder durch gute Köpfe auf Reisen weitergegeben wird. Und genau diese Annahme scheint die aktuelle Untersuchung nun zu bestätigen.

Dazu haben die Harvard-Forscher einen Know-how-Index erstellt, der Länder nach ein- und ausgehendem Know-how reiht. Deutsche Geschäftsreisende sind diesem Index zufolge der größte globale Faktor: Wenn es dauerhaft keine Geschäftsreisenden aus Deutschland mehr gäbe, würde das globale Bruttoninlandsprodukt laut Analyse der Harvard-Forscher um 4,82 Prozent sinken.

 

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