»Eine erfolgreiche Autozeitschrift darf kein gedrucktes Internet mehr sein«, meint Tim Ramms von »auto motor und sport« und Michael Köckritz von »ramp« sagt: »Unsere Beziehung zum Auto hat die unkomplizierte Unschuld verloren.« Dies sind die Herausforderungen, die sich dem Segment Autozeitschriften stellen.

Elektroautos, Carsharing, Vernetzung, autonomes Fahren – die Autoindustrie steht vor einer Vielzahl ebenso spannender wie veritabler Herausforderungen – aus Autoproduzenten sind Mobilitätsspezialisten geworden.

teaser_autozeitschriften_2016Dieser dynamische Kulturwandel erfordert von den Automobilmagazinen neue Zugänge zu Themen und Trends. Im Anzeigenmarkt erwarten die Autohersteller relevante Umfelder, um ihre technischen Innovationen und neuen Geschäftsmodelle zu kommunizieren.

Die Rahmenbedingungen sind alles andere als einfach. Digitale Medien liefern schnelle, aktuelle Informationen, Tests und Kaufberatungen und sind eine wahrhaftige Konkurrenz der Printmedien. Owned-Media-Kanäle wie Websites, Blogs, Social-Media-Plattformen, aber auch Corporate-Magazine und Corporate-TV haben in der Kommunikation eine relevante Größe erreicht. Hinzu kommt die zunehmende Bedeutung von Content Marketing, das in der Kundenbindung und Neukundengewinnung längst fester Bestandteil der Kommunikationsstrategie ist, responsive entlang der »customer journey«.

Was bedeutet dies für das Selbstverständnis der Automobilmagazine? Dazu sagt Tim Ramms, Leiter Geschäftsbereich Automobil, Motor Presse Stuttgart: »Was sich durch die Entstehung einer Vielzahl von digitalen Verbreitungswegen geändert hat, sind die Aufbereitung und die Distribution von Informationen. Eine erfolgreiche Autozeitschrift darf kein gedrucktes Internet mehr sein, sondern muss den Leser auf immer wieder überraschende Weise das bieten, was er sonst nirgendwo bekommt. Das Rückgrat für alle unsere Medienmarken bleibt der Printtitel. Hier zeigt sich aktuell am Beispiel der positiven Auflagenentwicklung unseres Flaggschiffs ›auto motor und sport‹ in den letzten drei Quartalen, dass die kontinuierliche, intensive Weiterentwicklung des redaktionellen Konzepts, der Mut, im Heft immer wieder etwas Neues auszuprobieren, von Käufern und Abonnenten auch wahrgenommen und goutiert wird. Dieser Erfolg ändert allerdings nichts an dem grundsätzlichen Druck, dem die Printauflagen ausgesetzt sind und nach unserer Einschätzung auch ausgesetzt bleiben werden. Die Ergänzung und Erweiterung bestehender und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bleiben daher essenziell. Die Konkurrenz in diesem Bereich wird sich eher noch verschärfen, sowohl durch mögliche neue Player als auch durch Trends wie Content Marketing, mit dem sich auch Autohersteller und Zulieferer zum Teil intensiv beschäftigen.«

Auflagen stabil

Ein Blick in die IVW-Zahlen zeigt, dass sich die Automagazine von der allgemeinen Marktentwicklung abkoppeln konnten: Während die meis­ten Segmente im Zehnjahresvergleich teils deutlich zweistellig verlieren, beträgt das Minus bei den Automobilzeitschriften 9,2 Prozent, was auch darauf zurückzuführen ist, dass 2006 20 Titel mehr bei der IVW gemeldet waren. Es fand also eine Marktbereinigung statt, die ihre Spuren hinterlassen hat. Aktuell verkauften die 40 IVW-Titel im zweiten Quartal 2016 17.148.257 Exemplare. Im Vergleich zum Vorjahresquartal (41 IVW-Titel, 17.306.871 verkaufte Exemplare) sank die Printauflage um 0,92 Pro­zent, E-Paper konnten um 3,7 Prozent zulegen.

Michael Köckritz, Chefredakteur des Autokulturmagazins »ramp«, sieht in der komplexen Herausforderung mehr Chancen als Risiken: »Unsere Beziehung zum Auto hat die unkomplizierte Unschuld verloren. Es wird sich sehr viel ändern – und zugleich werden einige Aspekte und Mechanismen wirksam bleiben. Das eigene Selbstverständnis muss kritisch reflektiert und immer wieder neu justiert werden. Dann muss man natürlich wissen, was die Kunden und der Markt wirklich wünschen und benötigen, was man selbst kann und sein will. Gerade für die kleinen und flexiblen Verlage, die sehr unbefangen und mutig denken und agieren können, weil sie, statt viel zu verlieren, viel zu gewinnen haben, ist es tatsächlich eine tolle Zeit. Wichtig ist, nicht nur ein Gespür für die Autowelt und Kommunikation zu haben, sondern vor allem auch in Männer-, Kultur- und Lifestylewelten stilprägend zu wirken.«

Der Marktführer AUTO BILD nutzt die ganze Medienklaviatur und die Zusammenarbeit mit weiteren Titeln aus dem Springer-Portfolio im Wettbewerb um Leser und Anzeigenkunden. Stephan Fritz, Verlagsleiter AUTO BILD Gruppe: »AUTO BILD ist die größte automobile Medienmarke in Europa. Unsere 360-Grad-Kommunikationslösungen bieten Print, Online, Apps, Mobile, TV, Events und Awards. Neben klassischen Mediaangeboten werden zudem Konzepte für inhaltliche Kooperationen sehr erfolgreich umgesetzt. Wir binden unsere Partner – in dem Maße, wie es unsere strengen Compliance-Regeln erlauben – in umfeldbezogene Specials ein und gewährleisten so einen exzellenten Zugang zur jeweiligen Kernzielgruppe. Dazu gehören Native Advertising im Kernsegment Automotive bei AUTO BILD ebenso wie z. B. auch übergreifende Themen der Verlagsgruppe Auto, Computer und Sport wie ›Connected Car‹.»

Autobegeisterung nimmt ab

»News kommen aus dem Netz, Hintergründe liefert Print«, weiß Edwin Baaske, beim Delius Klasing Verlag für Corporate-Publishing-Produkte zuständig, und hebt zudem die Kraft gedruckter Bilder hervor. Baaske weiter: »Automagazine leben von ihrer Glaubwürdigkeit gegenüber dem Leser. Wenn zu viele Geschichten offensichtlich zu wenig eigenen Charakter haben, wenn die Pressemeldung durchscheint, verliert das Medium an Wert.«

Fast 83 Prozent der rund 40 Millionen deutschen Haushalte verfügen über mindestens ein Kraftfahrzeug. Genügend Potenzial für Automobilzeitschriften, möchte man meinen, wäre da nicht die sogenannte dritte industrielle Revolution, die nicht nur den Verlagen, die Automagazine im Portfolio führen, Kreativität und Mut zu strategischen Entscheidungen abverlangen. Zwar gibt es keine Blaupause für den Erfolg von Zeitschriften – aber die Macher der Automobilzeitschriften haben bereits einige Herausforderungen gemeistert, die inspirieren könnten.

Bernd Wieland, Chefredakteur AUTO BILD: »Die größte Herausforderung liegt darin, trotz der geringeren Autobegeisterung junger Autofahrer die Faszination am Thema zu erhalten. Wir möchten auch solche Menschen für AUTO BILD begeistern, die vielleicht gar kein eigenes Auto mehr besitzen wollen, aber dennoch Freude am Fahren haben. Eine Autozeitschrift muss dementsprechend auch über die Bedürfnisse dieser jungen Zielgruppe berichten und Tipps für optimale Mobilität in einer modernen, urbanen Welt bringen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, sinkenden Umsätzen durch sinkende Auflagen mit neuen, erfolgreichen Line Extensions entgegenzuwirken. Bei AUTO BILD ist dies z. B. durch Titel wie AUTO BILD KLASSIK, AUTO BILD SPORTSCARS, AUTO BILD ALLRAD, AUTO TEST und zuletzt AUTO BILD REISEMOBIL und BIKE BILD mustergültig gelungen.«

Für Edwin Baaske lautet die Aufgabe, bestehendes Vertrauen zu bestätigen und offen für Neues zu sein. »Wer Spaß daran hat, sich selbst zu hinterfragen, der wird die Geschwindigkeit mitbringen, Teil der neuen Entwicklungen zu sein und sie nicht im Rückspiegel zu sehen.«

Eva Wienke, Journalistin und Kommunikationsberaterin

Dieser Beitrag erschien zuerst in print&more 03/2016.