Seit fast fünf Jahren führt Volker Breid die Motor Presse Stuttgart. Das Veränderungstempo für die Verlage wird steigen, prognostiziert er – und nimmt den Wettbewerb sportlich.

Von Roland Karle, Freier Journalist, Neckarbischofsheim, www.roland-karle.de

Es ist morgens kurz vor elf, und bei einem normalen Acht-Stunden-Tag hätte Volker Breid bald Feierabend. Um 4.30 Uhr ist er zu Hause weggefahren, hat die relative Leere auf der stauträchtigen Autobahn A8 zwischen München und Stuttgart genutzt. Ein geübter Rhythmus. Seit Breid im März 2012 die Geschäftsführung der Motor Presse Stuttgart (MPS) übernommen hat, pendelt er zwischen dem Verlagssitz und seinem Wohnort München, wo er mit seiner Frau und den beiden Kindern, 9 und 11 Jahre jung, lebt. Gut 200 Kilometer beträgt die einfache Strecke. Abgesehen vom allzu frühen Aufbruch, der gleich zu Wochenbeginn seinen Nachtschlaf reduziert, macht ihm das nichts aus. „Ich bin begeisterter Autofahrer“, sagt der 54-Jährige.

Eine gegenteilige Willensbekundung wäre ja auch noch schöner. Das Unternehmen, dem er vorsteht, verdient seit Jahrzehnten gutes Geld damit, dass es sich publizistisch allen Arten – und ganz besonders der automobilen – Fortbewegung widmet. Weltweit gibt die MPS mehr als 100 Zeitschriften heraus, die sich neben der Leidenschaft für PS und Motoren auch mit Aktivsport, Freizeit und Lifestyle beschäftigen.

Breid musste sich sein Faible für Fahrzeuge aber nicht erst antrainieren. Bei Gruner + Jahr, wo er 1994 in der Unternehmensentwicklung seine Verlagskarriere startete, ließen sich seine Kollegen gerne von ihm beraten, wenn es darum ging, den nächsten Dienstwagen auszuwählen. Da saß er dann nachts schon mal vorm Computer und konfigurierte das passende Modell. Und im impresso-Fragebogen gesteht Breid halb im Ernst, dass ihn ein Job als Testfahrer bei Auto Motor und Sport reizen würde.

Doch der Mann wird für andere Aufgaben gebraucht. In Stuttgart hat er sich schnell als Nachfolger des in Ruhestand gegangenen Friedrich Wehrle bewährt. Das war einerseits keine große Überraschung, weil der promovierte Diplom-Kaufmann zuvor bei Gruner + Jahr in Hamburg und München durch erfolgreiches Wirken auf sich aufmerksam gemacht hatte. Andererseits steht Breid nun in der ersten Reihe, berichtet direkt den Gesellschaftern – neben Mehrheitseigner G+J sind das die Gründerfamilien Pietsch und Dietrich-Troeltsch (40 Prozent) – statt dem Vorstand.

Bei einem Jahresumsatz von annähernd 230 Millionen Euro sowie weltweit 1150 Mitarbeitern hat sich sein Verantwortungsradius erheblich erweitert. „Für mich bedeutete der Wechsel nach Stuttgart eine berufliche Zäsur, die gewollt und gewünscht war“, sagt Breid. Er ist nun umfassend für sämtliche Bereiche vom Personal bis zu den Produkten verantwortlich. „Mein Job ist komplexer geworden, ich muss noch mehr im Blick haben, schnell reagieren und dabei die strategische Ausrichtung nicht aus dem Blick verlieren. All das zusammen empfinde ich nach wie vor als sehr spannend.“

Bevor er die Leitung der MPS übernahm, beschäftigte sich Volker Breid bei Gruner + Jahr fast durchgehend mit Publikumsmedien. Nach einem Projekt in Shanghai wurde er 1997 Verlagsleiter der Brigitte-Gruppe, später Verlagsgeschäftsführer der damaligen G+J Verlagsgruppe München und steuerte ab 2003 in der Hamburger Zentrale die Frauen-, Familien- und People-Magazine des Verlags.

Da gerät man leicht in Verdacht, ein Frauenversteher zu sein. Als Breid zur Motor Presse kam, wo ja bekanntlich eher Benzin im Blut pulsiert, wurde er in einem Zeitungsinterview gefragt, ob es ihm auf Dauer zu anstrengend gewesen sei, sich in die Hirne und Herzen von Frauen zu versetzen. Nein, entgegnete er überzeugend-lächelnd, „das macht mir Spaß“. Nach 15 Jahren in verlegerischer Verantwortung kennen sich nur wenige Männer besser mit Frauenzeitschriften aus als Breid. Doch zwei Themen hat er nach eigenem Bekunden bis heute nicht durchdrungen: Wenn Sie etwas über Beauty-Trends und weiblichen Humor wissen wollen – fragen Sie ihn besser nicht.

Keine Antwort bleibt Breid dagegen schuldig, wenn es um die Unterschiede zwischen Publikumszeitschriften und Special-Interest-Medien, dem Kerngeschäft der Motor Presse Stuttgart, geht. „Da habe ich einiges dazugelernt, vor allem was den intelligenten Umgang mit Inhalten über verschiedene Medienkanäle hinweg betrifft“. Die Angebote der MPS profitieren davon, dass ihre Themen weniger newsgetrieben, stattdessen langlebig sind. Ob Tourenplaner für Reisemobile, Schraubtipps fürs Mountainbike oder Fitnesstraining für Leser/innen von Men’s Health oder Women’s Health – vom Special im Heft über Bewegtbild im Netz bis zur praktischen App lassen sich Inhalte, Medienformate und Werbemöglichkeiten durchdeklinieren. „Da arbeiten Print- und Digitalredaktion sowie unser Vermarkter Hand in Hand. Daraus entsteht ein schlüssiges Produktmanagement“, erklärt Breid. Ein weiterer Vorteil: Special Interest wendet sich an Enthusiasten. Menschen, die sich leidenschaftlich einer Freizeitbeschäftigung widmen. „Da baut sich leichter eine emotionale Bindung zu Medienmarken auf. Die starke Wirkung von Werbung in Special-Interest-Medien und ihr Einfluss auf Kaufentscheidungen stehen außer Frage, das nutzt uns auch im Digitalen.“

Die Schwerpunkte seiner Arbeit in Stuttgart sind anders, aber nicht einfacher als zuvor. Für Verlage generell gelte, dass sie lernen müssen, mit deutlich höherer Unsicherheit zu leben. „Die Zeiten sind vorbei, als sich Geschäftsführung und Verlagsleiter ein paar Tage in Klausur begaben und danach einen verlässlichen Plan für die Zukunft verkünden konnten“, sagt Breid. Was nicht heißt, dass Planung unwichtig ist, jedoch: „Wir brauchen ein klares Leitbild und müssen unsere Medienmarken stark erhalten.“ Zugleich sei es wichtig, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und neue Ideen aufzunehmen. „Das Tempo in unseren Märken hat sich enorm beschleunigt – und Konkurrenz taucht plötzlich auf, auch aus Branchen, die wir vorher gar nicht auf dem Schirm hatten“, so Breid.

Darauf muss sich auch die Motor Presse Stuttgart einstellen. Ihr Chef tut viel dafür. Nicht per Befehl, sondern durch Gespräche. Breid ist kein Zampano, sondern aufmerksamer Zuhörer und überlegter Fragensteller. Eigenschaften, die ein Medienmanager unbedingt haben und pflegen sollte, wie er meint. „Wer an der Spitze steht, muss aber auch Entscheidungen treffen und Orientierung geben.“ Breid ist ein Teamplayer. Einer, der weiß, dass gerade in Zeiten der digitalen Einflüsse und des gewaltigen Umbruchs in den Medienhäusern selten Einzelne die Weisheit gepachtet haben. Das Wissen der Vielen bringt weiter. Breid mahnt: „Erfahrung, die auf den Erkenntnissen von gestern beruht, hilft da oft nur noch bedingt weiter. Wir müssen offen sein und bereit, Neues auszuprobieren.“

Ein Beispiel, wie er Ideen und Fortschritt gewinnen will, ist das im vergangenen Jahr eingeführte Innovationsmanagement bei der Motor Presse Stuttgart. Ein interdisziplinäres Team, bestehend aus einem halbem Dutzend Fach- und Führungskräften, zum Teil in wechselnder Besetzung, hat den Hut auf. Mitmachen sollen aber bitteschön alle. Das klappt gut. Im vergangenen Jahr kamen rund 70 Vorschläge für neue Magazine, Specials, Apps aus der Belegschaft. Neun davon wurden umgesetzt, unter anderem die Zeitschrift Bier.

Wenn Volker Breid über die Zukunft der Zeitschriften, der Medienunternehmen, der gesamten Branche spricht, macht er nicht auf Schlaumeier. Er akzeptiert die vielen Fragezeichen, die sich auftun. Sie sind ihm Ansporn, auch weil er glaubt, dass „sich in den nächsten drei Jahren mehr verändern könnte als in den letzten fünfzehn Jahren.“ Was Breid erkannt hat: Verlage müssen sich mit Technologie befassen und sie zum Bestandteil ihres Geschäfts machen. Sonst drohen sie zerdrückt zu werden zwischen Digitalgiganten wie Apple und Amazon, „die es auf unsere Vertriebserlöse abgesehen haben“, sowie Google, Facebook & Co, „die den Werbemarkt erobern“. Für Breid steht deshalb fest: „Wir müssen es schaffen, gleichermaßen journalistisch kreativ und technologisch exzellent zu sein.“

Den Wettbewerb nimmt er sportlich, das passt zu ihm. Breid, in der Nähe von Aschaffenburg aufgewachsen, hat lange begeistert Fußball gespielt. Er tat sich auf mehreren Positionen hervor, vom flinken Außenstürmer bis zum zweikampfstarken Vorstopper. Bitter, dass er sich dann drei Mal in einer Saison das Schlüsselbein brach. Seither verlegt der Mittfünfziger seine sportlichen Aktivitäten aufs Bergwandern, Skifahren und Radfahren. Auch ins Büro fährt Breid von seiner Stuttgarter Wohnung aus gerne mit dem Rad; dort hat der Manager auch ein Mini-Trampolin stehen, das er rege nutzt.

Wichtig sind ihm Auszeiten in der Natur, um richtig abschalten zu können. Mag „Entschleunigung“ auch ein Modebegriff sein, er benennt einen Trend, den Volker Breid für beständig hält. „Unsere Welt dreht sich gefühlt immer schneller. Die Menschen reagieren darauf und suchen ihre ganz persönlichen Haltepunkte.“ Was nebenbei bemerkt auch nicht ganz schlecht fürs Geschäft ist. Denn die Sport- und Freizeitmedien sind neben der Motorpresse die zentrale Säule der MPS.

Im Oktober 2017 hat Breid ein besonderes Ehrenamt angetreten: Von der Mitgliederversammlung des Südwestdeutschen Zeitschriftenverleger-Verbands (SZV) wurde er zum neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt. Klar, er hätte Nein sagen können, als er gefragt wurde, ob er die Nachfolge von Werner Neunzig antreten will. Ein Verweis auf das hohe Arbeitspensum als MPS-Geschäftsführer hätte gereicht. Doch Breid zögerte nicht lange und sagte zu. „Ich habe es als große Ehre empfunden, dass mir dieses Amt angetragen wurde.“ Er habe in den mehr als 20 Jahren als Verlagsmanager die Arbeit der VDZ-Landesverbände stets als hilfreich und wertvoll erachtet.

Gerade jetzt, da sich Verlage, unabhängig von Größe, Tradition und Themenfeld, so vielen neuen Fragen gegenüber sehen, seien Austausch und Dialog untereinander noch wichtiger. „Ich glaube, dass ich die unterschiedlichen Anliegen unserer Mitglieder ganz gut moderieren kann“, so Breid. „Und vielleicht gelingt es mir, auch ein paar neue Impulse in die Verbandsarbeit einzubringen.“

Zeit zum Nachdenken wird er auch künftig haben – montagmorgens auf der A8.