Der Presseausweis ist ein begehrtes Dokument. Auch Nicht-Journalisten sind scharf darauf ihn zu besitzen. Sie versprechen sich davon die Chance auf Schnäppchen, Rabatte und den Hauch von Bedeutsamkeit.

von Michaela Schnabel

Presseausweise sind begehrt. Beim cleveren Normalbürger, der sich damit Rabatte beim Autokauf oder beim Handyvertrag verspricht. Der sich mit Hilfe des Presseausweises unberechtigt kostenlosen Eintritt zu Ausstellungen, Konzerten und sogar ins Kino verschafft. Es gibt sogar Menschen, die durch den Besitz eines Presseausweises einfach ihr Ego aufpolieren wollen. Sie benutzen ihn gar nicht, zeigen ihn aber jedem unaufgefordert: „Schau her, ich habe einen Presseausweis. Ich bin wichtig“.

Das sind eher die harmlosen Varianten. Gefährlich wird es, wenn Leute aus dem radikalen politischen Spektrum sich einen Presseausweis beschaffen und damit versuchen Polizeisperren zu durchbrechen, um ihrem Gegner näher zu kommen. Sie glauben, das gebe es nicht?

beitrag_presseausweis_4cIm vergangenen Jahr zogen Hunderte Rechtsradikale durch Essen und skandierten ihre Parolen. Begleitet wurden sie von zahlreichen Journalisten, die dem pöbelnden Pulk vorangingen, um ihn zu beobachten und Ausschreitungen zu melden. Diese Journalisten hatten sich gegenüber der Polizei mit ihrem Presseausweis legitimiert. Sie durften in Bereiche, die für sonstige Passanten gesperrt waren. So weit so, demokratisch. Das Problem: Nicht alle Inhaber von Presseausweisen waren richtige Journalisten. Zahlreiche Rechtsradikale tarnten sich mit Hilfe des vermeintlich amtlichen Dokumentes als Reporter und hatten damit die Chance, ganz vorne mitzumischen.

Das ist nicht gerade förderlich für die Reputation des Presseausweises. Vor allem echte Journalisten, die ihre Tätigkeit nachweisen können und sie nach bestem Wissen und Gewissen ausüben, haben darunter zu leiden.

Doch seit einigen Jahren ist es in Deutschland relativ einfach, sich einen Presseausweis zu beschaffen. Im Internet findet man zahlreiche Websites, die mit dubiosen Angeboten für jedermann locken. Der Nachweis einer journalistischen Tätigkeit ist nicht nötig – und teuer ist es auch nicht.

GNS Press aus Ingolstadt zum Beispiel wirbt mit der „International Press Card“. Die Anmeldung bei GNS kostet 127 Euro, dazu kommt noch ein jährlicher Betrag für den Presseausweis. Auf der Homepage sind folgende Sätze zu lesen: „Seit es den Presseausweis gibt, ziert dieses Dokument den Nimbus des Geheimnisvollen. Mehr noch: Des Privilegierten! …“ Das klingt verlockend!

Noch billiger bekommt man einen Presseausweis beim Deutschen Verband der Pressejournalisten. Die Aufnahmegebühr beträgt 97 Euro, die Internationale Mitgliedschaft 117 Euro. Der Verband verhehlt auf seiner Homepage nicht, worum es eigentlich geht: Um Rabatte. „Bei Vorlage des Presseausweises sparen DVPJ-Member Gebühren bei Handyverträgen und erhalten Sonderkonditionen auf viele Services und Einkaufsbereiche. Nutzen Sie die Vorteile über den DVPJ: Eine Mitgliedschaft macht sich innerhalb kürzester Zeit bezahlt“, ist dort zu lesen.

In einem Bericht der Zeitung Die Welt beschreibt Dortmunds Polizeisprecher Oliver Peiler die Probleme, die die Polizei mit unberechtigten Inhaber von Presseausweisen haben: „Extremisten, mit Presseausweisen ausgestattet, versuchen bei polizeilichen Großeinsätzen die Privilegien der Presse für ihre Zwecke zu nutzen.“ Sie versuchen Absperrbereiche zu verlassen, um näher an den „politischen Gegner“ zu gelangen. „Hier werden dann wahllos Fotos und Videos der Gegnerschaft angefertigt, es wird provoziert und man versucht, polizeiliche Trennungs- und Absperrkonzepte zu unterlaufen“, sagt Peiler. In fast jeder größeren Stadt hat die Polizei schon solche Umtriebe von Rechts- oder Linksradikalen beobachtet, die sich mit Presseausweisen zu legitimieren versuchten.

Auch Messegesellschaften leiden unter der Flut der Presseausweisinhaber, die sich selbstbewusst zu akkreditieren versuchen, um sich damit den Eintrittspreis zu sparen. Deshalb wird dort zunehmend streng geprüft und darauf geachtet, von wem der Presseausweis ausgestellt wurde. Die Messegesellschaften in Stuttgart, Frankfurt und Hannover beispielsweise versuchen mit diesem Text auf ihrer Homepage Betrüger abzuschrecken: „Im Übrigen behält sich der Messeveranstalter die weitere Überprüfung des Nachweises der journalistischen Tätigkeit vor, auch im Falle der Vorlage eines Presseausweises … Der Messeveranstalter behält sich im Einzelfall vor, zusätzlich die Vorlage eines gültigen Personaldokumentes mit Lichtbild zu fordern. Ein Recht auf Akkreditierung besteht nicht. Gegebenenfalls macht der Messeveranstalter von seinem Hausrecht Gebrauch.“

Nicht nur staatliche Institutionen wünschen sich deshalb den bundeseinheitlichen Presseausweis zurück, den es bis 2008 in Deutschland gegeben hat. Bis zu diesem Jahr wurde er vom Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) sowie der Gewerkschaft Ver.di und den dazugehörigen Landesverbänden ausgestellt. Alle Ausweise sahen gleich aus. Besonders wertvoll war die aufgedruckte Aufforderung der Innenminister der Länder, den Besitzer des Ausweises bei seiner Arbeit zu unterstützen.

Die Vergabe dieser Ausweise wurde von den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften streng geprüft. Nur wer jedes Jahr aufs Neue nachweisen konnte, dass er journalistisch tätig ist, hat den Ausweis bekommen – dieses strenge Prüfverfahren wird auch heute noch von den Verbänden und Gewerkschaften genau so praktiziert. Für die Polizei und andere Behörden war und ist das ein verlässliches Dokument. Bei begründeten Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Ausweises, wussten die staatlichen Behörden, wo sie anrufen mussten. So kam es auch in der SZV-Geschäftsstelle ab und zu vor, dass das Telefon klingelte und ein Vertreter von Polizei oder Staatsanwaltschaft kritische Fragen zum Presseausweis-Inhaber stellte.

Doch dann gab es Streit. Immer mehr Berufsverbände wollten Presseausweise für ihre Mitglieder ausstellen. Das ging so weit, dass die Innenminister ihre Unterstützung zurückzogen. Aus diesem Grund gibt es in Deutschland seit 2009 keinen bundeseinheitlichen Presseausweis im klassischen Sinne mehr. Viele Organisationen haben seither die begehrte Plastikkarte als lukratives Geschäftsmodell für sich entdeckt. Eine ungute Entwicklung.

Das Problem mit dem Wildwuchs im Bereich der Presseausweise hat längst die Politik erreicht. Die Verlegerverbände, der DJV und Ver.di befinden sich zurzeit in Gesprächen mit der Innenministerkonferenz. Sogar in den Koalitionsvertrag hat das Thema Eingang gefunden. Union und SPD unterstützen „eine Initiative der Länder zur Wiedereinführung des amtlichen Presseausweises“. Doch die Gespräche ziehen sich. Wann es endlich wieder den „alten“ bundeseinheitlichen Presseausweis geben wird, steht in den Sternen. Es wird zwar über konstruktive Gespräche berichtet, doch die Mühlen der Politik mahlen bekanntlich langsam. Auch der nächste Streit ist schon programmiert, weil seriöse Organisationen wie Freelans, ein Verein von Fotojournalisten und der Verband der Sportjournalisten nicht zu den Verhandlungen eingeladen worden sind.

FAZIT:
Den bundeseinheitliche Presseausweis mit Unterstützung der Innenminister gibt es nicht mehr. Sehr wohl aber haben die Arbeitgeberverbände sowie die Gewerkschaften ihre hohen Standards was die Ausstellungskriterien angeht, beibehalten. Jeder, der einen Antrag bei den Landesverbänden des VDZ, des BDZV oder beim DJV oder bei Ver.di stellt, wird streng geprüft. Liegt keine hauptberufliche journalistische Tätigkeit vor, wird der Antrag abgelehnt. Das ist auch der Grund, warum diese Presseausweise nach wie vor das größte Ansehen bei Behörden und Messegesellschaften genießen.

 

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